Wie sind pädagogische Bildung und Didaktik der Pädagogik tatsächlich verbreitet und institutionalisiert?


Entwicklungsstand



a) Pädagogische Bildung an allgemeinbildenden Schulen (Pädagogikunterricht)

 

An allgemeinbildenden Schulen ist der Pädagogikunterricht weniger verbreitet als andere Unterrichtsfächer.

 

Sekundarstufe I:

-          An Schulen des Sekundarbereiches I kommt der Pädagogikunterricht nur in wenigen Bundesländern vor.

-          Für die Verbreitung pädagogischer Grund- und Allgemeinbildung müsste der Pädagogikunterricht ein obligatorisches Fach an Schulen der Sekundarstufe I sein.

 

Sekundarstufe II:

-          Die Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz zur Reform der gymnasialen Oberstufe von 1972 lassen den Pädagogikunterricht als Abiturfach zu. Seitdem kann jedes Bundesland den Pädagogikunterricht im Fächerkanon einrichten. Dem sind nur einige Bundesländer gefolgt.

-          Der Pädagogikunterricht kommt in einigen, aber nicht in allen Bundesländern vor.

-          In manchen Bundesländern, in denen Pädagogikunterricht vorkommt, ist die Dichte seiner Verbreitung gering, d.h. er ist nur an wenigen Schulen tatsächlich vertreten.

-          Der Pädagogikunterricht hat in der Regel den Status eines Wahlfaches.

-          In Nordrhein-Westfalen hat der Pädagogikunterricht unter der Fachkursbezeichnung Erziehungswissenschaft seine größte Verbreitungsdichte. Schüler/innen können erziehungswissenschaftliche Kurse an ca. ¾ aller Gymnasien und Gesamtschulen anwählen. Sie zählen zu den beliebtesten und am meisten angewählten Kursen.

 

Der Institutionalisierungsgrad und die Verbreitung des Pädagogikunterrichts im allgemeinbildenden Schulbereich sind in Anbetracht der Bedeutung pädagogischer Bildung in Gegenwart und Zukunft >>nicht<< ausreichend.

 

Pädagogikunterricht >>muss<< ein obligatorisches Unterrichtsfach an allen Schulen des Sekundarstufe I sein und als Wahlfach an allen Schulen der Sekundarstufe II angeboten werden.

 

Das Argument, die Bildung, Erziehung, die Förderung der Identitätsentwicklung, soziale und pädagogische Kompetenzen vermittelten sich den Schülerinnen und Schülern ohnehin in jedem Unterrichtsfach oder zumindest in vielen Unterrichtsfächern, bzw. das Argument, alle oder viele Fächer trügen zur pädagogischen Bildung bei, so dass ein pädagogisches Unterrichtsfach nicht erforderlich sei, entbehren weitgehend fachlicher Kenntnis zur pädagogischen Bildung, unterschätzen die Anforderungen an pädagogische Kompetenz und sind schlicht unzeitgemäß.

 

 

b) Pädagogische Bildung an berufsbildende Schulen (Sozialpädagogikunterricht)

 

-          ist heute zumeist unter der Bezeichnung Sozialpädagogik an berufsbildenden Schulen mit sozialpädagogischer Fachrichtung fest etabliert und im gesamten Bundesgebiet verbreitet.

-          hat ihren Schwerpunkt in der Erzieher/innenausbildung für Kindertagesstätten und für die Kindertagesbetreuung und in der Kinderpfleger/innenausbildung.

-          kommt aber auch in zahlreichen anderen berufsqualifizierenden pädagogischen Bildungsgängen und beruflichen Bildungsgängen vor – so z.B. für Heilpädagogik.

-          ist heute und in absehbarer Zukunft in besonderem Maße gefragt.

o   Mit den bildungspolitischen Initiativen zum Ausbau und zur Förderung der Kindertagesbetreuung sowie der vorschulischen Bildung der letzten Jahre ist auch ein erhöhter Bedarf an Erzieher/innen in den Kitas erforderlich geworden und somit ein erhöhter Bedarf an pädagogischer Qualifizierung und Professionalisierung dieser Fachkräfte durch den Unterricht in Pädagogik / Sozialpädagogik an sozialpädagogischen Berufsschulen notwendig. Das profilprägende Fach Sozialpädagogik ist ein fest etablierter Bestandteil dieser Ausbildungsgänge.

-          sollte in Anbetracht aktueller Entwicklungen und Tendenzen von einer Entwicklung der Didaktik der Pädagogik/Sozialpädagogik in Lehre, Forschung und Entwicklung an den Universitäten begleitet werden. Angesichts dieser Situation besteht ein großer Forschungs- und Entwicklungsbedarf in der Didaktik der Sozialpädagogik. 

 

Pädagogische Bildung an den berufsbildenden Schulen wird >>zu wenig<< von der Didaktik der Pädagogik/Sozialpädagogik erforscht und entwickelt.

 

 

c) Pädagogische Bildung an Hochschulen (Pädagogisches Studium)

 

-          ist in zahlreichen pädagogischen Studiengängen fest etabliert und institutionalisiert.

o   Die Studierenden in der Pädagogik resp. Erziehungswissenschaft und in Lehramtsstudiengängen gehören zu einer der zahlenmäßig größten Studierendengruppen überhaupt.

-          wird durch eine relativ starke Lobby vertreten, z.B. die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE), welche Stellungnahmen und Standards für akademische Studiengänge erarbeitet.

-          wird durch eine sehr stark im Hinblick auf die spätere pädagogische Berufsaustätigkeit hin ausgerichtete pädagogische Professionsforschung (z.B. Lehrberufs- und Lehrerbildungsforschung) und Hochschuldidaktik in Forschung und Entwicklung flankiert.

-          ist in besonderem Maße von der Schwierigkeit betroffen, ihren spezifischen Charakter als eine Bildung durch pädagogische Forschung und durch forschendes Lernen zu behaupten.

o   Der Ursachenzusammenhang ist komplex – Studierendenzahlen, Betreuungsrelation und Kapazitäten, Spezialisierungstendenzen etc. Eine wichtige Ursache für die Problematik, Studierende an pädagogische Forschung heranzuführen und sie in diese einzubeziehen, ist allerdings der verbreitete Mangel pädagogischer Vorbildung in den Schulen (Siehe pädagogische Bildung in allgemeinbildenden Schulen).

 

Pädagogische Bildung sollte an den Hochschulen als >>grundständiges wissenschaftliches<< Studium gestaltet sein.

 

 

d) Pädagogische Erwachsenenbildung außerhalb von beruflicher Bildung und Studium

 

-          wird von Erwachsenen sehr stark nachgefragt, u.a.

o   aufgrund des Mangels einer allgemeinen pädagogischen Grundbildung, die auf das Fehlen des Pädagogikunterrichts im allgemeinbildenden Schulwesen zurückzuführen ist,

o   aufgrund von Elternschaft, Erziehungs-, Bildungs-, Identitäts- und Lebenskrisen,

o   aufgrund gestiegener Anforderungen an Erziehung, Bildung und sozialpädagogische Betreuung.

-          findet u.a. über einen großen Markt populärer pädagogischer Ratgeber- und Erziehungsliteratur statt,

-          vermittelt sich über weitere Medienformate, so im Radio, im Fernsehen oder auf Internetplattformen,

-          dementsprechend über populäre Medien vermitteltes pädagogisches Wissen wird partiell stark  kritisiert, sinngemäß als pädagogische Halbbildung. Dieser Mangel wird seitens der Erziehungswissenschaft und anderer akademischer Disziplinen aber auch nicht ausreichend kompensiert.

-          pädagogische Erwachsenenbildung spielt in Volkshochschulen, in Erziehungs-, Familien- und Sozialberatungsstellen eine Rolle, ist präventiv und interventiv ausgerichtet,

 

Pädagogische Erwachsenenbildung außerhalb pädagogischer Berufsausbildung und außerhalb pädagogischer Studiengänge stärker zu erforschen und systematisch zu entwickeln.

 

 

e) Didaktik der Pädagogik (Fachdidaktik Pädagogik)

 

-          ist systematisch und institutionell der Erziehungswissenschaft zugeordnet. Ist ein primär in Deutschland entwickelter und vergleichsweise sehr junger pädagogischer Arbeitsbereich.

-          ist im Hochschulbereich deutlich weniger etabliert als die Didaktiken vieler anderer Fächer.

-          Verbreitung und Institutionalisierungsgrad der Didaktik der Pädagogik folgen der Verbreitung institutionalisierter pädagogischer Bildung im deutschen Bundesgebiet. Der Schwerpunkt fachdidaktischer Forschung und Entwicklung liegt im Bundesland Nordrhein-Westfalen.

o   In Nordrhein-Westfalen ist die Didaktik der Pädagogik in der Lehrerausbildung gut etabliert. Einige bedeutende lehrerbildende Standorte: Westfälische Wilhelms-Universität Münster/ Ruhr Universität Bochum/ Technische Universität Dortmund

o   Die Forschung zur pädagogischen Didaktik ist an Hochschulen hauptsächlich an pädagogische Professuren angebunden, die auch andere pädagogische Forschungsschwerpunkte zu vertreten haben. Vergleichsweise viele Fachbeiträge steuern Professoren aus dem Bereich der Allgemeinen Erziehungswissenschaft zur Didaktik der Pädagogik bei.

-          Die Bereiche der Didaktik der Pädagogik sind in Forschung und Lehre unterschiedlich vertreten.

o   Das Interesse an der Didaktik der Pädagogik gründet primär auf der Notwendigkeit zur Pädagogiklehrerausbildung und zu wenig auf dem Interesse an der Forschung und Entwicklung in der Didaktik der Pädagogik. 

o   In der Pädagogiklehrerausbildung (Lehre) können die Didaktik des allgemeinbildenden Pädagogikunterrichts und die Didaktik der Sozialpädagogik als am meisten etabliert angesehen werden.

o   In der Forschung und Entwicklung kann zurzeit lediglich die Didaktik des allgemeinbildenden Pädagogikunterrichts als einigermaßen etabliert angesehen werden.

o   Es gibt zu wenig Forschungs- und Entwicklungsbeiträge zur Didaktik des berufsbildenden Pädagogikunterrichts (Unterrichtsfach Sozialpädagogik).

o   Lehre, Forschung und Entwicklung zur pädagogischen Didaktik für die Bereiche der pädagogischen Bildung an Hochschulen und der Erwachsenenbildung sind nicht speziell unter einer Didaktik der Pädagogik institutionalisiert oder ausgegliedert, sondern erfolgen im Rahmen der Hochschuldidaktik und der Erwachsenenpädagogik.

o   Die meisten fachlichen Publikationen zur Didaktik der Pädagogik sind bisher in der vom Verband der Pädagogiklehrer/innen (VdP) herausgegebenen Zeitschrift „PädagogikUNTERRICHT“ (seit 1981) und in der von diesem Verband herausgegebenen Buchreihe „Didactica Nova“ (seit 1996) beim Schneider Verlag erschienen. Der wissenschaftliche Diskurs zur Didaktik der Pädagogik muss allerdings stärker von den pädagogischen Abteilungen der Hochschulen selbst getragen werden.

 

Der Institutionalisierungsgrad, die Verbreitung, die Forschung, Lehre und Entwicklung zur Didaktik der Pädagogik sind in Anbetracht der Bedeutung pädagogischer Bildung in Gegenwart und Zukunft >>nicht<< ausreichend.